Ordnung Treptostomida

Die Treptostomida sind neben den Fenestellida die zweite große Gruppe von Bryozoen im Zechstein. Sie bilden flächig inkrustierende und/oder ästige bis buschförmige Kolonien. Treptostome Bryozoen sind leicht zu erkennen, aber eine exakte Bestimmung (auf Art- oder Gattungs-Ebene) erfordert die Untersuchung des Innenbaus anhand von Dünnschliffen, und bleibt deshalb dem Spezialisten vorbehalten.

Abb. 1 Dyscritella sp. Links ein Transversal- rechts ein Longitudinal- Anschnitt
einer ramosen („ästigen“) Wuchsform. Fundort: Kleiner Wartberg bei Seebach. (gleicher Maßstab)

Eine Taxonomie („Klassifizierung“) die nur auf äußeren Merkmalen, wie der Wuchsform der Kolonie beruht, spiegelt bei den Bryozoen oft nicht die natürlichen Verwandschaftsverhältnisse wieder. Ein gutes Beispiel für die Unzulänglichkeit einer solchen Taxonomie sind die treptostomen Bryozoen des Zechsteins:

Noch vor ein paar Jahren wurden im Zechstein 2 Arten (bzw. Unterarten) unterschieden: Stenopora columnaris (ramosa), eine Bryozoe von ästigem Wuchs, und Stenopora (columnaris) incrustata eine Bryozoe von flächig inkrustierendem Wuchs. Die Unterscheidung von inkrustierenden und ramosen Treptostomida macht aber keinen Sinn. Viele Arten kommen in beiden Wuchsform vor. Eine sichere Abgrenzung von Arten ist nur durch die Unterschiede des Internbaus möglich. In den Zechstein-Riffen findet man auch gelegentlich Übergangsformen bei denen aus einer flächig inkrustierenden Form Arme hervorgehen, was die alte Taxonomie von vorn herein ad absurdum führt (mehr dazu weiter unten, Abb. 5).

Aber in der alten Taxonomie lag noch ein gravierender Fehler: SCHLOTHEIM (1813) hatte unter dem Namen Coralliolites columnaris eine rugose Koralle beschrieben. Nachfolgende Autoren haben den Artnamen columnaris fälschlich für die treptostomen Bryozoen des Zechsteins verwendet. D. WEYER (1979) hat diesen Fehler in seiner Arbeit über die Zechstein-Korallen korrigiert. Der Artname columnaris ist demnach der älteste und gültige Name der Koralle Calophyllum columnaris. Jüngere Synonyme wie C. profundum (GEINITZ) sind damit obsolet.

Abb. 2 Dyscritella sp. Isoliertes Fragment aus dem biodetritischen Mergelkalk der Altensteiner Höhle.

ERNST (2001) der eine Revision der Zechsteinbryozoen vornahm, kommt zu dem Ergebnis, daß im Zechstein 5 Arten der Treptostomida vorkommen: 4 der Gattung Dyscritella sowie die Art Ulrichotrypa incrustata. Dieser Arbeit lagen neben dem Typusmaterial, v.a. Neufunde aus dem Zechsteinkalk in Beckenfazies zugrunde. Nur eine Art (Dyscritella tenuimuralis MOROZOVA 1970) lag auch aus der Rifffazies vor. Das heißt aber nicht, daß nur diese Art in den Riffen auftritt. Auch in den Riffen gibt es mehrere Arten dieser Ordnung, vermutlich die gleichen wie in den geschichteten Kalken der Beckenfazies.

Treptostome Bryozoen kommen eigentlich nur in der kalkigen Phase des 1. Zechstein-Zyklus, also im Zechsteinkalk und den Riffen vor. Im Kupferschiefer sind sie außerordentlich selten, und dann selbstverständlich nicht autochton. Eine Besonderheit sind Kupferschieferaufschlüsse in unmittelbarer Randnähe. Diese führen manchmal eine reiche Bryozoenfauna. So auch ein Kupferschieferaufschluß in unmittelbarer Nähe der Wartbergriffe bei Seebach. Hier sind die Treptostomida sogar das häufigste Fossil im basalen Kupferschiefer, schon ab etwa 5cm über dem Basalkonglomerat. Daneben kommen weitere Bryozoen vor allem Kingopora, Spinofenestella und Acanthocladien vor.

Diese Funde bezeugen, daß hier bereits zur Kupferschiefer-Zeit auf Anhöhen des Präzechstein-Untergrundes die Bedingungen für das massenhafte Wachstum von Bryozoen gegeben waren. Das waren nicht zwangsweise Riffe. Charakteristische Riffbryozoen, das wären v.a. Rectifenestella und alle Synocladia-Arten scheinen im Schmerbacher Kupferschiefer nicht vorzukommen (freundl. Mitt. Dr. Andrej ERNST).

Abb. 3 Treptostome Bryozoen aus dem Kupferschiefer von Schmerbach. Sammlung SANDMANN, Eisenach.

Eine treptostome Bryozoe (die bisher nicht genau bestimmt wurde) gehört zur typischen Begleitfauna der „Seelilienwälder“ die den unteren Riffabhang (lower reef slope) der großen Frischwasserriffe (u.a. Altenstein, Wartberge und Spitziger Stein) säumten. Charakteristisch für diese Art sind die schlanken, weitständig verzweigten Zoarien:

Abb. 4 Eine schlanke und weitständig verzweigte treptostome Bryozoe, die in den
„Crinoidenwäldern“ des unteren Riffabhangs sehr häufig vorkommt.
Fundort: E-Seite Großer Wartberg bei Seebach

Diese Art kommt auch inkrustierend an den Stielen der Seelilien vor. Das ist eigentlich nichts besonderes. Treptostoma-Inkrustate auf Seelilienresten sind keine Seltenheit (aber auch nicht sehr häufig) und schon länger beschrieben. Hier läßt sich aber eindeutig nachweisen, daß die Besiedlung bereits zu Lebzeiten der Seelilien stattfand. Die Abb. 5 zeigt zwei Detailaufnahmen aus dem Crinoidenkalk am unteren Riffabhang der Wartbergriffe.

Abb. 5 Dyscritella sp. inkrustierend auf der Seelilie „Cyathocrinitesramosus.
Beide Stücke: Wartberge bei Seebach, Maßstab am oberen Bildrand 5mm.

Solche Bryozoen-Inkrustate mit freien Armen, die in alle Richtungen wuchsen können nicht an einem abgestorbenen auf dem Meeresboden liegenden Seelilienstiel gewachsen sein. Sie sind nur an lebenden Wirten möglich.

Ob die Besiedlung durch Bryozoen für die Wirtsorganismen ein Nachteil war, ist noch nicht geklärt, aber sehr unwahrscheinlich.

Es ist mehr ein Zufall, daß es einige Bryozoenlarven schafften sich auf lebenden Seelilien niederzulassen. Die Regel oder gar eine Vorraussetzung für ihr Überleben sind solche ungewöhnlichen Siedlungsplätze nicht.
Das solche Inkrustate in den Aufschlüssen der „Crinoidenwälder“ relativ häufig zu finden sind ist nur eine Folge des dichten Bestands, sowohl der Crinoiden wie auch der Bryozoen.

Abb. 6 Dyscritella sp. inkrustierend auf der Innenseite einer geöffneten Schale von Parallelodon striata. Dieses Inkrustat entstand nach dem Tod der Muschel.
Fundort: Riffbasis Altensteiner Höhle, Maßstab: 5mm.

 

Literatur

Die Arbeiten von KORN (1930) und DREYER (1961) sowie die historischen Werke (KING (1850), GEINITZ (1861) u.s.w) sind zwar noch heute interessant und hilfreich, in Bezug auf die Taxonomie der treptostomen Bryozoen aber veraltet. Deshalb sei vor allem auf die aktuellste, aber englischsprachige Arbeit verwiesen:

  • ERNST, Andrej (2001): Bryozoa of the Upper Permian Zechstein Formation of Germany.- Senckenbergiana lethaea, 81, 1, S. 135-181