Entdeckungsgeschichte der Altensteiner Höhle

von Rainer Fohlert

Abb. 1 Das Bild zeigt den Südrand des Altensteiner Riffs. Am Fuß dieser Felsen, hinter dem Glücksbrunner Blaufarbenwerk (auch Glücksbrunner Schloß, bildmitte) wurde 1799 die Altensteiner Höhle entdeckt.

Schon seit Urzeiten war den Einwohnern der Gegend eine kräftig schüttende Quelle bekannt, die seit langer Zeit zum Antrieb von Mühlen und Anlagen der Schmelzhütte genutzt wurde. Auch die Herkunft des Wassers war durch die Beobachtungen der Bergleute, zumindest teilweise bekannt. HEIM schreibt in seiner Hennebergischen Chronika 1767, daß beobachtet wurde, wie “Knotten und Häckerling”, die in die Grubenwässer der Atteröder Gruben geworfen wurden, in der Glücksbrunner Quelle wieder zutage treten.
Nördlich der Höhle befand sich seit etwa dem Jahr 700 (es findet sich in der Literatur auch die Jahresangabe 531) die Burg Stein. Mit dem Erlöschen des Geschlechts derer von Hundt, fällt die Burg und das Amt Altenstein 1722 an die Meininger Herzöge. 1733 brennt das Schloß aus und wird wieder aufgebaut.
Der seit 1782 regierende Herzog Georg I. legt 1798 den Grundstein für den Landschaftspark auf dem Altenstein. In den Park werden auch die vielen im Riff gefundenen Kleinhöhlen einbezogen, so ist noch heute eine Parkwanderung auch eine romantische Höhlenwanderung.
Auch das Schloß wird neu gestaltet und erhält eine neue Zufahrtsstraße. Am südwestlichen Ende des Altensteiner Riffes ist zu diesem Zweck ein Felsen zu beseitigen.
Die Chronik über das Kirchspiel Schweina, geführt von Johannes W
ALCH, Pfarrer zu Schweina und Liebenstein erhält 1800 folgenden Eintrag, der von der Höhlenentdeckung am 28.6.1799 kündet:

Nachdem zunächst beabsichtigt war, den Eingang in die Höhle wieder zu verfüllen entscheidet Herzog Georg I., der die Höhle am Tag nach der Entdeckung besichtigt, die Höhle zu erschließen.
Johannes W
ALCH schreibt weiter:

Nachdem die Erschließung anfangs durch den Entdeckungsschacht erfolgt, entschließt man sich, den Stollen zu schaffen, durch den wir noch heute die Höhle betreten. Schon 1800 kann der Besucher auf diese bequeme Weise die Höhle betreten.
Die Höhle wird zunächst regelmäßig an jedem Montag beleuchtet. Auch Musik wird an diesen Öffnungstagen gespielt. Aus Kostengründen wird später wieder von dieser Regelmäßigkeit abgegangen - die Geldeinlage in der aufgestellten Büchse sind zu gering. In den folgenden Jahren wird die Höhle an Sonntagen von 10 bis 12 Uhr erleuchtet, der Eintritt wird auf 24 bis 30 kr festgelegt.

Im Meininger Taschenbuch für das Jahr 1802 findet sich ein anonymer Artikel der die ersten Erschließungen zusammenfaßt. Ein erster Höhlenplan und eine Beschreibung werden veröffentlicht. Beides wird in den folgenden Jahren immer wieder von anderen Autoren wiedergegeben. Diese erste umfassende Beschreibung wird heute Herzog Georg I. zugeschrieben.

Abb. 2 Der erste Höhlenplan aus dem Artikel im Meininger Taschenbuch von 1802.

Durch seinen frühen Tod 1803 kann Herzog Georg I. die Erschließung nicht vollenden. Im April des Jahres 1827 wird, ausgehend vom Landungssteg eine 100 Fuß lange Fortsetzung entdeckt, der Höhlenbach erneut erreicht. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die umfangreichen Umgestaltungen im Bachgang unter der Schauhöhle aus dieser Zeit stammen. Das bekannte Höhlenende befindet sich jetzt am Abzweig zum noch unbekannten Morgentordom. Der schmale Gang zum heutigen Schauhöhlenende ist nur auf ca. 3m Länge bekannt. Auch bei diesen Arbeiten werden wieder Bärenknochen gefunden.

Die folgenden etwa 120 Jahre bringen keine Neuentdeckungen. 1848 wird das Postament in die Höhle gebracht, es erhält zunächst Gipsbüsten, die offenbar immer wieder erneuert werden müssen.  Am Höhlensee, an der Stelle, die heute Postament und Herzogsbüste einnehmen, wird in dieser Zeit der “Papierne Tempel” errichtet, der im Januar 1869 wieder abgerissen wird. Das Aussehen des Tempels ist durch alte Stiche überliefert. Er zeugt, wie viele Berichte und Spuren des damaligen Höhlenausbaus, von den romantischen Vorstellungen dieser Zeit.

 

Die malerischste Höhlenbeschreibung ist von Ludwig Storch 1839 verfaßt worden:

Abb. 3 Ein historischer Stich von 1838 zeigt den “Papiernen Tempel” am See in der Altensteiner Höhle.

Wichtig in diesem Text ist für uns heute auch die Nennung der ursprünglichen Namen für einige Höhlenteile. Der Entdeckungsgang wird aufgrund Knochenfunde als “Knochenversammlung” bezeichnet, der Blick von der Domterrasse auf den See wird schon als “Unheimliche Tiefe” bezeichnet, obwohl hier die Verwendung als Eigenname noch nicht eindeutig ist.

Ein in der Nähe der Altensteiner Höhle bekanntes Höhlenmundloch wird um 1850 ausgegraben. Diese  Höhle ist vollständig mit Buntsandsteinsedimenten verfüllt, der Durchstoß zur Altensteiner Höhle gelingt nicht. Später erhält diese Höhle den Namen Blechschmidthöhle.

1909 erhält die Höhle elektrische Beleuchtung durch die AEG Erfurt.

Abb. 4 Aufräum- und Ausgrabungsarbeiten in der Altensteiner Höhle nach dem 2. Weltkrieg. Aufnahme vom 1. April 1952.

Nach dem Zweiten Weltkrieg liegt auch der Schauhöhlenbetrieb am Boden. Im Krieg wurde sie als “Luftschutzkeller” genutzt, ihr Zustand wird als “verwüstet” bezeichnet. Schweinaer Höhlenfreunde um den Höhlenführer Kurt Lohfing übernehmen am 1.4.1951 den Höhlenbetrieb. Sie erschließen neue Höhlenabschnitte.
Karl Gruber berichtet 1957 in den Salzunger Monatsheften, daß zwischen 1951 und 1957 über 11000 Stunden in der Höhle geleistet wurden. Verschiedene Seitengänge der bekannten Höhle wie Fledermaushöhle, die obere Seegrotte (?) und das Kaffestübchen werden weiter ausgegraben. Der Gang zum Morgentordom wird freigeräumt, es entsteht der Plan für einen zweiten Ausgang. Im Bachgang wird der Gang bis zum heutigen Schauhöhlenende erschlossen. Damit ist der Weg frei bis zum Saal des Pik Otto. Die über weite Abschnitte am Höhlenbach entlangführenden Wege sind in dieser Zeit angelegt worden. Bei den Arbeiten finden die inzwischen im Kulturbund der DDR, Ortsgruppe Bad Liebenstein 2 (damit ist der damalige Liebensteiner Ortsteil Schweina gemeint) organisierten Höhlenforscher wieder Höhlenbärenknochen.

In diesen Jahren hat die Höhle 50-60.000 Besucher.

Die Planung eines zweiten Ausgangs der Höhle, der Rundführungen ermöglichen soll führt zu einer modernen Vermessung der Höhle durch den Markscheider der damaligen Thüringer Spat- und Eisenerzgruben Schmalkalden. Es entstehen zwischen 1954 und 1957 Pläne, die auch den geplanten Ausgangsstollen enthalten. Der Bachablauf aus dem See und der Bachgang zwischen Schlammgang und Pik Otto sowie einige enge Seitengänge werden jedoch nicht vermessen.

Ende der fünfziger Jahre verschwindet das Holzhäuschen vor der Höhle und das heutige Kassenhaus wird errichtet. Anfang der sechziger Jahre wird der Ausgangsstollen in den Berg getrieben.

Abb. 5 Eine Aufnahme von Karl Gruber aus dem Jahr 1955 zeigt das  alte Kassenhäuschen, das Ende der 50er Jahre durch ein neues Gebäude ersetzt wurde.
Auf der Tafel steht:
Die Altensteiner Höhle ist täglich in der Zeit von 6.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Führungen alle 10 Minuten, Dauer der Führungen 20 Min., Mindestbesucherzahl 5 Pers.

Als sich der Stollen im Hangbereich der Oberfläche nähert, kommt es zu Einbrüchen. Diese führen kurz vor Vollendung des Vorhabens zur Aufgabe. Der einzige Nutzer des Ausgangssstollens ist heute eine Kleine Hufeisennase, die seit Jahren dort ihren Winterschlaf hält.

In den siebziger Jahren (?) erhält die Höhle die heutige Beleuchtungsanlage.

Sondershäuser Höhlenforscher besuchen 1980 die Höhle und entschließen sich, die Vermessungen der fünfziger Jahre zu ergänzen. In den folgenden Jahren wird der Höhlenplan weiter vervollständigt, der Schlammgang weiter erkundet und erstmalig durchgehend befahren. Am Höhlenende versuchen die Höhlenforscher den Verbruch am Pik Otto zu überwinden.

1998 beginnen Höhlenforscher des Thüringer Höhlenverein e. V. (THV) und der Mitteldeutschen Speleologischen Gesellschaft e.V. (MSG) zusammen mit der Gemeinde Schweina und dem Höhlenverein “Die Altensteiner 1799” Überlegungen anzustellen, welchen Beitrag die Höhlenforscher zur bevorstehenden Zweihundertjahrfeier leisten können. Die Mitglieder der MSG, hervorgegangen aus der schon genannten Sondershäuser Höhlenforschergruppe, führen den Plan der Höhle weiter, während die Höfos des THV versuchen, weiter vorzustoßen. Das gelingt unter der Führung von Uwe Peter (2002) überraschend schnell. Es gelingt zunächst, enge Bereiche im Höhlenbach zu überwinden, an die sich ein Verbruchslabyrinth anschließt. Nach dem Verbruch finden die Höhlenforscher die Fortsetzung des Bachganges, das Foyer. Danach erreichen sie über einen Halbsiphon eine weitere große Halle, die nach dem Entdeckungszeitpunkt 199-Jahre-Halle genannt wird. Hier stellen sie zwei Bachzuflüsse fest.

Besonders anzumerken ist, daß ab dem Verbruch am Pik Otto in der Höhle ein überaus reicher Tropfsteinschmuck vorhanden ist.  Später gelingt durch Suche von beiden Seiten auch noch die Entdeckung eines trockenen Weges durch den Verbruch, so daß die laufenden Forschungen unter deutlich günstigeren Bedingungen durchgeführt werden können. 1999 fand anläßlich des Höhlenjubiläums die 39. Jahrestagung des Verbandes der deutschen Höhlen-und Karstforscher in Schweina statt.

Die Vermessung und Dokumentation von zahlreichen Nebengängen wird weiter fortgesetzt, so daß sich die Höhlenlänge ständig vergrößert. Für 2003 haben sich die Höhlenforscher das Ziel gestellt, die 2000-Meter-Marke zu überschreiten.

Entwicklung der Längenangaben zur  Höhle:

1799

400 Fuß

(ca.130m)

1802

500 Fuß

(170m)

1827

600 Fuß

(200m)

bis 1980

 

600-650m

1999

 

1352m

2002

 

1661m

Seit 1998 werden auch Untersuchungen durchgeführt, die dem Fossilinhalt des Höhlengesteins und der Geologie des Riffs gewidmet sind. Inzwischen wurden zahlreiche, meist ausgezeichnet erhaltene Überreste der Lebewesen des Riffes in der gesamten Höhle gefunden. Obwohl diese Untersuchungen noch längst nicht abgeschlossen sind ( Zur Zeit werden an der TU Bergakademie Freiberg 2 Diplomarbeiten zu diesem Thema geschrieben.), können wir als Zwischenstand feststellen, daß die Höhle eine der bedeutendste Fossilfundstellen für die Lebewesen der permischen Riffe darstellt.

Die Geschichte der Höhle ist durch unterschiedlichste Postkartenausgaben dokumentiert. Einen Katalog zu den Höhlenpostkarten der Altensteiner Höhle finden Sie auf der Seite des Höhlenforscherclubs Bad Hersfeld.

 

Dieser Überblick wurde aus historischen Unterlagen zusammengestellt. Zu einigen Fakten existieren in den verschiedenen Quellen unterschiedliche Angaben. Die Aussagen der Quellen mußten dabei in einigen Fällen gewichtet werden. Unsichere Angaben sind mit (?) gekennzeichnet.
Wir sind uns bewußt, daß die im vorliegenden Text getroffene Auswahl der Höhlenfreunde, die namentlich genannt werden konnten, zu einem gewissen Grad willkürlich, weil an einzelne Fakten gebunden, sein muß. Wir möchten jedoch betonen, daß sich gerade die hier Genannten besondere Verdienste um die Höhle erworben haben.

Dieser geschichtliche Überblick wäre ohne die Unterstützung durch zahlreiche Höhlenfreunde aus Schweina nicht in dieser Vollständigkeit möglich gewesen.

Unser besonderer Dank gilt Frau Edith Raddatz, die mit ihren Archivarbeiten und den Transkriptionen alter Texte wesentlich zur Klärung wichtiger Fakten beigetragen hat.